Wissenswertes

Mündungsgeschwindigkeit

Die Geschwindigkeit v0, mit der das Projektil beim Schuss den Lauf verlässt, ist ein wichtiges Kriterium für die Wahl der Patronensorte bzw. der Laborierung eines bestimmten Kalibers. Sie ist im Wesentlichen von der Geschossmasse, der Menge der Treibladung und deren Abbrandgeschwindigkeit im Zusammenhang mit der Lauflänge abhängig.

 

Masse (m) und Geschwindigkeit (v) bestimmen die kinetische Energie (E) nach der Formel:

Ekin = 1/2 m v2    (Eges = Epot + Ekin)

 

Dies verdeutlicht, dass eine höhere Geschwindigkeit einen weitaus stärkeren Einfluss auf die Energie des Geschosses hat, als eine höhere Masse. Es bedarf aber auch einer viel stärkeren Explosivkraft der Ladung, um bei gleicher Masse eine signifikant höhere Geschwindigkeit zu erreichen. Ohne die Ladung zu verstärken, kann mit einer reduzierten Masse ebenfalls eine höhere Geschwindigkeit erreicht werden.

 

Für den Sportschützen ist es wichtig zu wissen, dass eine höhere Geschwindigkeit die Treffsicherheit erhöht. Das Geschoss ist schneller im Ziel und seine Flugbahn ist geradliniger. Man spricht von höherer Rasanz. Winddrift und ein unbemerktes Verkanten wirken sich weniger auf die Treffpunktlage aus. Die kürzere Durchlaufzeit durch den Lauf reduziert zugleich die Wahrscheinlichkeit, dass das kaum beherrschbare Hochschlagen noch Einfluss auf die Flugrichtung haben kann.

 

Ohne Änderung des Haltepunkts gegenüber einer langsameren Patrone kommt es jedoch zu einem Hochschuss. Die höhere Energie einer stärkeren Ladung verstärkt zugleich den Rückstoß. Das Neuerfassen des Ziels dauert etwas länger, weshalb in den Schnellfeuer-Disziplinen eher schwächere Ladungen bevorzugt werden.

 

Die Höhe (h), um die das Geschoss nach unten fällt, wird von der Erdbeschleunigung (g) je nach Flugzeit (t) und somit indirekt von der Durchschnittsgeschwindigkeit (v) über die Zielentfernung (s) bestimmt (Bild).

hFall = 1/2 g t2     mit  t = s / v

 

 

Bei extrem weiten Zielentfernungen wie bei der Disziplin Long Range fällt das Geschoss nicht nur um Zentimeter, sondern um Meter. Die geringste Abweichung in der Geschwindigkeit, hier auch durch den Einfluss der Außentemperatur, reicht bereits aus, um das Ziel um Längen zu verfehlen.

 

Nach dem Startimpuls mit Mündungsgeschwindigkeit bestimmt der Luftwiderstand, wie rasch die Geschwindigkeit des nun passiv fliegenden Geschosses abnimmt. Er ist abhängig von der Art der Verdrängung und Verwirbelung der Luft je nach Geschossgeometrie und Flugbalance und steigt proportional mit der Geschwindigkeit. Am Beispiel der GECO-Werksangaben zeigt sich der Einfluss des Luftwiderstandes in Abhängigkeit von Mündungsgeschwindigkeit und Geschossform (Bild).

 

 

Liegt die Fluggeschwindigkeit über der Schallgeschwindigkeit, kann sich die entstehende Stoßwelle vor dem Geschoss nicht mehr ausgleichen. Der Luftwiderstand steigt um ein Vielfaches und das "Durchbrechen der Schallmauer" äußert sich in einem lauten Knall, der dem Geschoss kegelförmig folgt und zusätzlich zum Mündungsknall auftritt.

 

Die Schallgeschwindigkeit in der Luft ist keine feste Größe, sondern ändert sich mit deren Temperatur (Bild). Luftdruck und Luftfeuchtigkeit beeinflussen sie hingegen kaum.

 

 

Während die Geschossgeschwindigkeit bei Langwaffen bestimmungsgemäß deutlich über der der Schallgeschwindigkeit liegt, liegt sie bei KK- und Kurzwaffen genau in diesem Spektrum.

 

Unterschiedliche Ladungen bzw. Geschwindigkeiten lassen sich anhand der zusätzlichen Bezeichnung der Patronen unterscheiden. Speziell beim Kleinkaliber werden Patronen für Normalgeschwindigkeit (Standard Velocity) und höhere Geschwindigkeit (High Velocity) angeboten. Bei größeren Kalibern wird die Geschwindigkeit indirekt vom Geschossgewicht bestimmt und stärkere Ladungen sind am Zusatz 'P+' oder '+P+' zu erkennen. Patronen mit Laborierungen für Unterschall-Geschwindigkeit (Subsonic) werden ebenfalls entsprechend ausgewiesen.

 

Unterschallpatronen sind besonders für Waffen mit Schalldämpfer interessant, da hier kein Geschossknall auftritt und sich der Mündungsknall deutlich reduzieren lässt.

 

HV-Patronen sind für längere Läufe die bessere Wahl. Für Kurzwaffen sind sie jedoch nur bedingt zu empfehlen, da der Großteil der stärkeren Ladung nicht im Lauf abbrennt. Stattdessen entsteht ein heftigeres Mündungsfeuer mit deutlich lauterem Knall, was zu höherer Streuung, aber nicht zu höherer Geschwindigkeit führt.

 

Für Kurz- oder Langwaffen gibt es jeweils speziell ausgelegte Patronen, optimiert auf die Lauflänge und vorgesehene Zielentfernung. Kurzwaffenpatronen lassen sich zwar auch aus längeren Läufen verschießen, wie beim historischen Westernschießen und bei einigen Zivil- und Polizeiwaffen, doch wird hierbei im Vergleich zu (echten) Langwaffen die Geschwindigkeit nur unwesentlich erhöht, bei Magnum-Revolver-Ladungen etwas mehr, dafür bei Automatik-Patronen so gut wie gar nicht (Bild). Sie fällt durch die ungünstigere Geschossform auch schneller ab, sodass sich die Reichweite kaum ändert. Es ist die verbesserte Treffsicherheit durch den ergonomischen Anschlag und die längere Visierlinie, die noch heute für diese Art von Waffen (pistol calibre carbines) spricht.

 

 

Umgekehrt macht es wenig Sinn, Kurzwaffen für Langwaffenpatronen auszulegen. Eine Ausnahme bildet jedoch die im Schießsport am meisten verwendete KK-Patrone. Die .22lr bzw. .22lfB wurde mit progressiver Ladung speziell für lange Läufe entwickelt, hat sich aber auch in den Kurzwaffendisziplinen durchgesetzt. Hier kommt es bei falscher Wahl zu den meisten Problemen. Selbst SV-Patronen 'verpuffen' oft unregelmäßig. Sogenannte Ausreißer sind die Folge. Mitunter reicht dann der wirksame Gasdruck nicht mehr zum sauberen Repetieren von Selbstladern aus. Für halbautomatische Kurzwaffen im Kaliber .22lr bieten deshalb viele Hersteller offensivere Laborierungen mit der Zusatzbezeichnung 'Pistol' an. Auch Patronen mit der Zusatzbezeichnung 'Semi Auto' erweisen sich oft als eher geeignet.

 

Großkaliber-Revolver, die für längere Magnum-Patronen ausgelegt sind, erlauben auch das Verschießen kürzerer Standardpatronen gleichen Kalibers und besitzen deshalb ein noch breiteres Spektrum an möglichen Geschossgeschwindigkeiten.

 

Resümee: Mit diesem Grundwissen sollte jeder Schütze das Optimum an Funktionssicherheit und Präzision für seine Waffe(n) und Disziplin(en) durch Tests selbst ermitteln. Will man unmittelbaren Einfluss auf eine genau definierte und konstante Laborierung nehmen, schließt man sich am besten der Gilde der "Wiederlader" an.

P. K.